Die Venediger
Eine Spurensuche in der Schweiz, Schwarzwald, Harz, Thüringen, und dem Erzgebirge.
Ein Bericht von Wolfgang R. Kunzmann
Fachleute untersuchen frisch gewonnenes Erz; Schwazer Bergbuch, 1556 |
Geschichte und Geschichten wieder lebendig werden lassen
Chi va piano, va sano e va lontano.
wer geht langsam, geht sicher und geht weit.
Die Geschichte hat schon immer gezeigt, dass es Städte und Räume gab, die sich stetig entwickelt haben: Zum Guten wie auch zum Schlechten. Nach einem Hoch folgt die Konstante. Ein Tief ließ oft nicht lange auf sich warten, bis auch dieses wieder von einem Aufschwung abgelöst wurde. Ein stetiges Treiben von Gewalten, an denen Mensch versucht Herr zu werden und Herr zu bleiben. Vieles gelang, vieles mißlang.
In Braunlage an der warmen Bode Steinbruchwand in Braunlage |
Ein Blick zurück nach Oberitalien zeigt, dass sich diese Region im 16. Jahrhundert zu einem wirtschaftlichen bedeutenden Zentrum entwickeln konnte. Glashütten wie auf der Insel Murano, Kristallschleifereien in Venedig, Vicenza, Verona und Treviso sorgten für den entsprechenden Reichtum. Die Alpen galten ihnen als eine wichtige Rohstoffquelle. Die so genannten Venediger suchten aus diesem Grunde in den Alpen nach verwendbaren Erzen, edlen Steinen sowie nach schleifbaren Bergkristallen. Da sich jedoch die Venediger fremdländisch kleideten, sich darüber hinaus seltsam verhielten und sich in in einer anderen Sprache verständigten, erschienen sie den Einheimischen höchst suspekt. Was unbekannt ist, wird auf Abstand gehalten. Gerüchte kehren ein. Geheimnisvolle Geschichten begannen sich zu entwickeln. Ein heimischer Sagenschatz entstand.
Eine Glasschale in Fusingtechnik von W.R. Kunzmann Muranoglas durch Zugabe von Kobaltoxyd blau gefärbt. (Kunzmann W.) |
Bis vor 500 Jahren zogen Fremde durch die Norddeutschen Mittelgebirge. Nach ihrer Heimat Italien nannte man diese Männer Venediger, oder Walen (Wallonen). Aber wer waren die Wallonen wirklich.? Man sieht heute in ihnen Naturkundige auf der Suche nach hauptsächlich Kobalt - und Manganmineralien für die Farbglasherstellung. Diese Kunst stand im ausgehenden Mittelalter besonders in Venedig (Murano) in hoher Blüte, doch wichtige Zuschlagstoffe fanden sich nur nördlich der Alpen.
Im Erzgebirge und im Schwarzwald gab es die Kobaltvorkommen.
Das Kobaltpigment (CoO · Al2O3) (Kobaltaluminat - Mischoxidpigment) wird durch Erhitzen von Kobaltverbindungen mit Aluminiumhydroxid hergestellt.
In Wittichen / Schenkenzell stand eine Farbmühle zur Produktion von Kobaltfarben. Das wertvolle Kobaltblau, wurde hauptsächlich zur Porzellanmalerei und Glasfärberei verwendet.
Für die Kathedrale in Chartres wurde angeblich eine neue Farbe entwickelt, das Chartres-Blau das für seine Reinheit bekannt ist.
Für dieses Blau wurden Kobaltoxyde aus Schneeberg in Sachsen verwendet.
Fundstelle - Ilfeld bei Nordhausen, Harz, Thüringen (Kunzmann W.) Manganiterz - Ilfeld bei Nordhausen, Harz, Thüringen (Kunzmann W.) |
Vier wertiges Manganoxyd wurde früher unter Handwerkern als Glasmacherseife bezeichnet, da es durch Eisen(III)-silikate verfärbte Glasschmelzen entfärben konnte. Zum Entfärben und Einfärben wurden die verschiedensten Metalloxide genutzt, wovon einige auch im Harz zu finden waren. Besonders das Manganoxid spielte eine bedeutende Rolle, da es in kleineren Mengen zu Entfärbung des Glases von den gelb-grünen Verfärbungen der Eisensilikate genutzt wurde. Aber derartige Rohstoffe nur im Wandergepäck über die Alpen zu schaffen klingt mehr als fragwürdig. Zumal die größten Manganoxidvorkommen in der Region Ilfeld zu verzeichnen waren, von dort aber keine Überlieferungen von Venedigern bekannt sind.
Mönchfelsen von Schierke. (Kunzmann W.) Der Dreieckige Pfahl ist etwa 1,35 m hoher Grenzstein aus Granit |
Schwieriger war aber die die Entfärbung der meist eisenschüssigen Glasschmelzen. Dazu bediente man sich der als Glasmacherseife bekannte Manganoxyde, von denen der Braunstein damals am begehrteste war und in reiner Form in Italien sehr selten vorkam.
Formen und Ausschmückungen des venezianischen Glases, das sich in der europäischen Produktion vom 15. bis zum Ende des 17. Jhs. sein Primat erhielt, sind ungewöhnlich reich, ihre Technik ist von bewunderungswerter Vollkommenheit. Venedig, das zum Symbol besonders schöner Spiegel geworden war, stellte nicht nur die verschiedensten Glaserzeugnisse her, es kannte auch verschiedene Produktionstechniken. Die Fähigkeiten der Venezianer im Umgang mit Glas kommen auch bei der Spiegelproduktion zur Geltung.
Die Steinbrücke in Braunlage Steinwand aus Grauwacke in Braunlage |
Was aber machten sie dann, so heimlich im Harz, diese Venediger? Schließlich waren sie keine Phantasieprodukte, es waren Menschen aus Fleisch und Blut, wenn auch fremdländische. Dass sie anwesend waren, lässt sich auch nicht verleugnen, denn sie hinterließen an zahlreichen Stellen ihre Spuren. Leider sind davon nur noch wenige in die heutige Zeit überkommen, genannt sei als Beispiel der Venedigerstein bei Schierke. Diese alten Spuren sind aber von den alten Harzer Chronisten wie: H. Pröhle, Fr. v. Sydow, A. Ritter, AK Schröder, R.L. Honemann, W. Grosse; C.G. Lehmann, und vielen anderen schriftlich festgehalten und zum Teil auch bildlich dargestellt und somit der Nachwelt überliefert worden. Es waren Figuren, Zeichen und Symbole, die von Unbekannten in Felsen und Felswände geschlagen und geritzt wurden.
Venedigerstein beim Kloster Wendhusen. (Kunzmann W.) Der Venedigerstein in Wendhusen (Kunzmann W.) |
Heute wissen wir, dass die Glasindustrie von Murano spezielle Zuschläge für die Herstellung kunstvoller, farbiger Gläser benötigte. Zum einen war dies Manganit,zum anderen Kobalt. Die Venediger kannten Mangan dem Namen nach nicht, denn die wissenschaftliche Beschreibung von Mangan erfolgte erst 1774. Sie wussten aber, dass ein gewisser brauner Stein das durch Eisengehalt trübe Glas völlig weiß und durchsichtig machen konnte. Und da es keinen Bergbau auf Mangan gab, mussten die Vorkommen von Pyrolusit und Psilomelan (Manganmineralien) mühevoll ermittelt werden. Kobalt färbte das Glas wunderschön tiefblau, wie es für die Glasfenster der Kathedralen erwünscht war. Eine Aufzeichnung des Persers Allah al Quasani belegt den frühen Handel mit Kobalt, der von Venedig ausging. Er schieb schon 1305 von einer aschenfarbiger Zusatz zur Blaufärbung von Glas.
Venedigerstein in Braunlage . (Kunzmann W.) Mönchstein in Schierke.(Kunzmann W.) |
Diese Spezialkenntnisse, die eigenartige Sprache und das fremdländische Aussehen weckten bei der Bevölkerung verständlicherweise Argwohn. Dieses Erstaunt sein kommt in den Sagen über die Venediger sehr deutlich zum Ausdruck und wird noch durch die Sagenerzähler überzeichnet. Dennoch kann man Gemeinsamkeiten, welche die Venediger charakterisieren, in den Sagen sehr gut erkennen.
Hochmoor bei Schierke . (Kunzmann W.) Mönchstein/Mönchfelsen/Gesamtansicht.(Kunzmann W.) |
Literatur und Quellen:
- Burgsteiner Erwin:
- Der Venediger Roman Tauriska-Verlag 2008
- Grosse W.
- Die Venetianischen Goldsucher im Harz - Zeitschift des Harzvereins für Geschichte und Altertumskunde, Wernigerode. (1931)
- Knappe Hartmut - Scheffler Horst:
- "Im Harz. Übertage Untertage" Doris Bode Verlag Haltern, 1. Auflage 1990 ISBN 3-925094-30-X
- Christian Gottlieb Lehmann:
- "Nachricht von Wahlen" Frankfurt/Leipzig 1764
- Heinrich Schurtz:
- "Der Seifenbergbau im Erzgebirge und die Walensagen", Stuttgart 1890
- R. Cogho:
- "Die Walen oder Venediger im Riesengebirge" 1898
- Leo Winter:
- "Die deutsche Schatzsage" Köln 1925
- Rudolf Schramm & Helmut Wilsdorf:
- "Venetianersagen von geheimnisvollen Schatzsuchern" Leipzig: VEB Deutscher Verlag für Grundstoffindustrie, 1. Aufl. 1986, 2. Aufl. 1987, 3. Aufl. 1990
Für die Web Gestaltung, die Betreuung und Verbreitung der SBH Aktiviäten. Foto: Wolfgang Rainer Kunzmann |
Links:
Zum Thema Venediger in der Schweiz, Schwarzwald, Harz, Thüringen, Riesengebirge dem Erzgebirge
- http://glasblog.blogspot.de/2008/08/glas-muranoglas.html
- http://www.dorotheenhuette.info/
- http://www.harzkristall.de/aktuelle-kuenstler.html
- http://www.glasmacher-friedrich.de/
- http://www.youtube.com/watch?v=_pkagYeFtJU
- http://www.davetro.com/html/davetro_geschichte.html
- http://www.waldglas.com/suedschwarzwald.html
- http://www.sagen.at/texte/sagen/schweiz/allgemein/venediger_maennlein.html
- http://de.wikipedia.org/wiki/Walen
- http://www.wissenswertes.ausflugsziele-harz.de/ausflugsziele-sehenswertes/kultur-geschichte/venediger-im-harz.htm
- http://www.harzer-sagen.harz-urlaub.de/landschaftssagen/gold-der-tidianshoehle.htm
- http://www.jugendheim-gersbach.de/Jugendheim-Gersbach-Murano-Glas-Venediger-Venedigersagen.html
- http://www.schwarzwaelder-bote.de/inhalt.schonach-venedig-am-rohrhardsberg.326effc1-e9c8-4d50-a4de-5a2eff0670e5.html
- http://www.schenkenzell.de/1805
- http://www.mineralienatlas.de/lexikon/index.php/Mineralienportrait/Erythrin/Bekannteste%20weltweite%20Vorkommen
- http://www.unbekannter-bergbau.de/rahmen/frame_04_historie.htm
- http://www.manganit.de/019dc7954c0b1c501/1f023d95fe0933807/index.html
- http://www.bayernwetter.de/sagen/1.1.Allgemeine%20Feststellungen.htm
- http://www.sagen.at/texte/sagen/deutschland/sachsen/ruebezahl/garten_berauben.htm
- http://www.krumhermersdorf.de/geschichte/k-g5330.htm
- http://www.vfmg-weiden.de/venez.htm
- http://tw.strahlen.org/index.html
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