Kalksintersteine
Historische Vorkommen am Dreisch in Groß Ilde.
Ein Geologischer Bericht von Wolfgang R. Kunzmann
Exkursion am 29.04.2017
Naturdenkmal Am Dreisch in Groß Ilde. |
Naturdenkmal ND-HI-041
Kalksintersteinbänke mit Trockenrasen, und einige Flechtenarten.
Entstehungsgeschichte wieder lebendig werden lassen, Was nah ist, einem direkt vor der Haustür liegt,
ist für viele doch so fern.
(51° 59° 59" N, 10° 1, 49" O).
Für viele ist es eine für ihren Alltag fremde Welt, in denen nur die wenigen Eintauchen und versuchen, etwas mehr darüber herauszufinden,
wie und in welchem Zusammenhang des Zustandes,was sich doch nun direkt vor ihrer Nase befindet.
Ansicht Kalksintersteine am Dreisch in Groß Ilde. |
Der Kalksinter - Travertin mit Trockenrasen liegt südwestlich Groß Ilde, 250 m östlich der Straße nach Lamspringe, am Osthang des Lammetales zugleich der Südwesthang am des Harplage-Höhenzuges, östlich des auf etwa halber Hanghöhe verlaufenden Feldweges.Dem Muschelkalk der Harplage muß einst oberhalb des Kalktuffsteins eine Karstquelle entsprungen sein, deren Wasser hier zur Bildung zu Sinterkalk geführt hat. Zwei Meter hohe und sich über knapp 30 Meter hinziehender Kalksinterfelsen, bei dem es sich um eine Ausfällung von Kalk aus hartem Quellwasser handelt. Die Ablagerung erfolgte in Bänken bis 30 m Länge und 1 - 1,5 m Höhe über Gelände, die Tiefe im Boden ist noch nicht bekannt. Die Sinterbänke sind stark gegliedet und sehr porös, so daß sich in den Löcher z. T. Pfanzen angesiedet haben. Im übrigen finden sich am offenen Gestein viel Flechten und Moose.
Die Eem-Warmzeit Synonym Eem-Interglazial), oft kurz als Eem bezeichnet, war die letzte Warmzeit vor der heutigen, dem Holozän. Sie begann vor etwa 126.000 Jahren und endete vor 115.000 Jahren und ist nach dem Fluss Eem in den Niederlanden benannt.
Leitfossil des Eem-Warmzeit (von Pieter Harting (1886) |
Die Eem-Warmzeit wird im (Alpenraum) Süddeutschland - Schweiz auch als Riß/Würm-Interglazial benannt, da sie die Warmzeit zwischen der Riß- und Würm-Kaltzeit darstellt.
Sie entspricht auf den Britischen Inseln der Ipswichian Stage, in der Osteuropäischen Ebene dem Mikulin-Interglazial, in Nordamerika der Sangamonian Stage und in Chile dem Valdivia-Interglazial, wobei jedoch die genaue Datierung in den einzelnen Regionen voneinander abweicht. In der internationalen Gliederung des Pleistozäns, die auf der Ausgliederung von Sauerstoff-Isotopenstufen beruht, wird das Eem in der Stufe 5 und dort als fünfte Unterstufe e eingeordnet.
Das Zeitalter des Quartärs ist in Niedersachsen durch einen mehrfachen Wechsel von Kalt- und Warmzeiten - Eemzeit geprägt. Im mittleren Pleistozän
waren zur Elster-Kaltzeit und im Saale-Komplex große Teile Niedersachsens vergletschert, das Eis hinterließ Grundmoränen - Geschiebemergel, und
Schmelzwasserablagerungen - Kies, Sand und Tone. In den Warmzeiten - Interglazialen und in der Nacheiszeit - Holozän entstanden Torfe,
Mudden und Mergel. Teile des Küstengebietes wurden dabei überflutet und von Meeres-, Watt- und Brackwasserablagerungen überdeckt.
Neben den quartärzeitlichen Ablagerungen werden
die maximalen Ausdehnungsgrenzen der Vereisungsstadien sowie die Position der wichtigsten Endmoränen dargestellt.
Quartärgeologische Übersichtskarte von Niedersachsen und Bremen 1:500 000 (GKQ500)
Die Karten ist in gedruckter Form über den örtlichen Buchhandel oder beim Internationalen Landkartenhaus (ILH), Stuttgart, zu beziehen.
ilhinfo@ilh-stuttgart.de
Ansicht Kalksintersteine am Dreisch in Groß Ilde. |
Der vieltausendjährige, offengebliebene Kalksinterblock ist vom Zahn der Zeit soweit an seinem Rücken zersetzt, daß er einen Halbtrockenrasen ernähren kann. Z.B. das glänzende ährenartige Pyramiden-Schiller-Gras, die Steife oder Aufrechtstehende Trespe, ferner die Kammerschmiele, das Zierliche Labkraut, das Kleine Habichtskraut, die Randblättrige Glockenblume, die Frühsegge und das Frühlingsfingerkraut. Später erscheint das Mittlere Zittergras. Als echte Triftpfanze fehlt natürlich der Thymian nicht mit seinen gewürzhafte Geruch. Gegen große Trockenheit sind besonders die dicken , fleischigen Blätter des Mauerpfeffers oder der Fetthenne gewappnet. Dazu gehört noch als seltener Gast die dickblättrige Weiße Fetthenne. Zuletzt findet sich die distelartige Kleine Eberwurz, auch Golddistel genannt, mit den strohgelben bis 3 cm großen Blütenköpfen ein.
Die Trockenrasenwiesen und Pfanzenwelt. |
Auf den Tuffsteinbänken und den Zwischenräumen sowie um das Tuffsteinlager hat sich in einer Fläche von 40 x 50 m ein artenreicher Trockenrasen entwickelt, u. a. mit Storchschnabel, Fingerkraut, Hornkraut, Labkraut, Schafgarbe, Johanniskraut, Flockenblume, Disteln und Kleearten. Als besondere Seltenheit tritt hier die Weiße Helmorchis auf (ca. 20 Ex.)
Kalktuff entsteht, wenn stark kalkhaltiges Quellwasser beim Austritt aus dem Boden mit Sauerstoff reagiert.
Dabei setzen sich Kalkkrusten an Pflanzenteilen und anderen Oberflächen (wie Schalen toter Schnecken) ab. Es entstehen leichte,
poröse Kalkgesteinterrassen im Gelände. Kalktuffquellen und Sinterterrassen sind europaweit geschützte Lebensräume.
In Niedersachsen tritt Kalktuffbildung nur an einigen wenigen Stellen auf.
Viele Moose und Flechten. |
Im Norden grenzt eine lockere Fichtenkultur an, auf der Ostseite eine Weidefläche und im Süden Acker. Entlang des Weges wurde kürzlich auf Abschnitten ein Dornstrauchsaum angepflanzt. Die Pflege des Naturdenkmals leitet die Arbeitsgemeinschaft für Natur und Umweltschutz Ambergau e.V.
Detail von den Flechtenarten. |
Beispiele: Zu Karstquellen.! Wie im Süntel oberhalb von Unsen, das Falltal/Hardesener Stb. und das Hohlebachtal nördlich Bensen. oder einige Quellen im kleinen Deister (Hallerquelle) bei Springe und im Wolfstal im großen Deister. Der Krater in Bad Nenndorf oder die Phyllitisquelle am W-Hang des Riesenberges - Dachtelfeldquelle - vom Weller - Schweinesuhlen-Quelle im Süntel - Wittkopfquelle im Ostsüntel.
Detailaufnahmen der Flechten |
Nicht unerwähnt bleiben sollten ferner die eigenartigen pflanzlichen Bewohner, die blütenlose Flechten, die den gesamten Terrassenrand und deren Wände überkleiden. Merkwürdige Organismen,urtümliche Wesen, die wahrscheinlich schon in den frühesten Tagen der Schöpfung ihre eigenen Wege gegangen sind; denn ein winziger, Faden von einem Schlauchpilz greift eine ebenso kaum sichtbare Zelle von einer Grün- oder Blaualge an und vereinigt sich zur Doppelnatur. Wegen des Chlorophylls der letzteren spaltet die Flechte, wie jede Pflanze die Kohlensäure der Luft mit Hilfe des Lichtes. Im Feuchtkörper liegt abgegrenzt der Pilz und bestimmt die jeweilige Wuchsform als Krusten-, Blatt-; Strauch- und Fadenflechte, volkstümlich Bartflechte genannt. Die geschlechliche Vermehrung geht im Pilzkörper durch Bildung von Sporen vor sich. Auch die ablegerartige ist häufig: wenn z.B. bei einer Dürre das Wachstum unterbrochen wird, können, wie bei der Blattflechte, die abgebrochenen spröden Teile vom Winde fortgetrieben werden. Bei eintreten-der Feuchtigkeit wachsen sie weiter.
Auf den Kalktuff-sintersteinen sind laut Wilhelm Lampe 11 Flechtenarten namentlich bestimmt, wovon die Blattflechten gesellig und
bestandsbildend den Raum beherrschen.
Die beiden Strauchflechten fallen zwischen den Schwarzmoospolstern kaum auf und die fast unbemerkten Krustenflechten hben sich in den
Ritzen eingenistet.
Blattflechten : Peltigra canina, Parmelina canina, Cladonia foliacea und Cladonia furcata..usw..
Krustenflechten: Cladonia portentosa, Cladonia fimbriata.usw..
Strauchflechten:
Die Flechten kann als besondere Lebensart dort noch aufteten, wo andere Pflanzen nicht mehr existieren vermögen. Wissenschaftlich zählt man über 20 000 Arten die Flechten-größe der Schöpfung. In Gestalt der kaum bemerkten Krusten, welche nur noch mit dem Mikroskop namentlich zu bestimmen sind, besiedeln sie nicht nur den nackten Fels und schließen in ihrem verwesenden Lager das Keimblatt für höhere Pflanzen auf, sondern dringen als Pioniere bis an den Nordpol vor, wo die massenhafte Rentierfllechten, Isländisches Moos genannt wird.
Auf den Kalksinterfelsen wachsen viele Hundsflechten. |
Die ursprüngliche Quelle ist versiedet. (Sickerquelle/Wanderquelle). ? Das Wasser tritt heute 250 Meter weiter südwärts aus dem Hang und mündet nach kurzem steilen Lauf in die an dieser Stelle tief eingekerbte Lamme. Bei der Sonderform der Wanderquelle ist der Wasseraustritt nicht immer an der gleichen Stelle zu finden, sondern er variiert im Jahresverlauf. Die Quelle kann wenige Meter oder auch hundert Meter weit "wandern".
Der frühere Ilder Schullehrer Wilhelm Lampe hat beiderseits das Sinter-blockes in der Zeit zwischen 1920 und 1960 über 4000 steinzeitliche Artefakte gefunden, deren Rohmaterial aus dem Diluvium der Umgebung unter anderem von einer ausgewaschenen Grundmoräne am Oberlauf der Lamme stammt. Auch in der Gegenwart können bei günstigen Bedingungen, etwa nach dem Pflügen im Herbst und nachfolgendem Regen, Mikrolithe verschiedener Art aufgenommen werde.
Kalksinterfelsen wachsen Krustenflechten und Flechten. |
Bitte besuchen Sie dieses schutzbedürftige Geotop mit besonderer Vorsicht, damit Sie auch späteren Generationen in dieser Form erhalten bleibt.
Zum Schluss noch einige neue Bilder von der zweiten Exkursion.
Links:
- https://de.wikipedia.org/wiki/Kalktuff
- https://de.wikipedia.org/wiki/Kalktuffquelle
- https://de.wikipedia.org/wiki/Steinerne_Rinne
- https://de.wikipedia.org/wiki/Travertin
- https://de.wikipedia.org/wiki/Sinter
- https://de.wikipedia.org/wiki/Flechte
- https://de.wikipedia.org/wiki/Bl%C3%A4ttrige_Cladonie
- https://de.wikipedia.org/wiki/Cladonia_rangiferina
- http://www.blam-hp.eu/mofledJ09.html
- http://www.lichens.ie/
- http://www.digital-nature.de/pflanzenwelt/flechten/flechten.html
- https://de.wikipedia.org/wiki/Eem-Warmzeit
- https://de.wikipedia.org/wiki/Mittelpal%C3%A4olithikum
- https://de.wikipedia.org/wiki/Foraminiferen
Literatur und Quellen:
- Wilhelm Lampe
- Ein versteinertes Naturdenkmal in der Feldmark in Groß Ilde
- Wilhelm Lampe
- Ein Siedlungsplatz mit mittelsteinzeitlichem Material. Die Kunde. NF10, 1959, S.14ff
- Wilhelm Lampe - O. Klement
- Die Flechtenvegetation zwischen Oker und Leine im Raume zwischen Hildesheim und Harzrand. Zschr.d. Museums in Hildesheim,1952, m.Tafeln u. 1. Übersichtskarte.
- Wilhelm Lampe
- Am Sinterbach an der Luhne. Kalender f.d. Krs. Osterode/Harz 1929. S.50 ff.1.Abb.
- Volkmar Wirth, Ruprecht Düll
- Farbatlas Flechten und Moose. Ulmer, Stuttgart 2000, ISBN 3-8001-3517-5, S. 45.
- Volkmar Wirth, Ulrich Kirschbaum
- Flechten einfach bestimmen. Ein zuverlässiger Führer zu den häufigsten Arten Mitteleuropas. Quelle & Meyer, Wiebelsheim 2014, ISBN 978-3-494-01538-5, S. 340–341.
- Rudolf Schubert,Horst Herbert Hanke,Helmut Pankow:
- Rothmaler Exkursionsflora von Deutschland. Band 1: Niedere Pflanzen. Spektrum Akademischer Verlag, München 2005, ISBN 3-8274-0655-2.
- J. Poelt:
- Bestimmungsschlüssel europäischer Flechten.
- Manfred Klaube
- Beiträge zur Entwicklung der Siedlung-und Wirtschafts-landschaft im Ambergau
- M. Besitzer: Fr. Wegener.
- Eintragt als Naturdenkmal in Nr. 15 Mittlg - Bl . f.d. Stadt Hildesh. u. Landkrs Hild.
- Norbert Frank, Margarethe Braum, Ulrich Hambach, Augusto Mangini, Günther A. Wagner:
- Warm Period Growth of Travertine during the Last Interglacial in Southern Germany (PDF; 325 kB). In: Quaternary Research. A interdisciplinary research, Bd. 54 (2000), S. 38–48, ISSN 0033-5894.
- Allen Pentecost:
- Travertine. Springer-Verlag, Berlin Heidelberg 2005, 445 Seiten, (Englisch)
- Wilfried Rosendahl, Dorothee Sahm-Stotz (Hrsg.):
- "Bodenloser See" und Schickhardt-Stollen. Natur- und Kulturgeschaihte im Kalktuff von Seeberg bei Bad Urach. Staatsanzeiger-Verlag, Stuttgart 2005, ISBN 3-929981-57-2.
- H. Müller:
- Pollenanalytische Untersuchungen und Jahresschichtenzählungen an der eemzeitlichen Kieselgur von Bispingen/Luhe. In: Geologisches Jahrbuch. (Hannover), A 21, 1974, S. 149–169.
Bedanken möchte ich mich bei Doris Haars und Günther Haars für ihre Informationen mit einem freundlichen Glückauf! Und für die vielen freundlichen Hinweise zum Thema: Kalktuffsteine mit Trockenrasen in Groß Ilde.
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