Riesenberghöhle
Untersuchung der Riesenberghöhle auf mikrobiellen Befall.
Dipl.- Ing. Chem. Anna Thomé (Schweiz) und W. R. Kunzmann
Am 21. Mai 2005 wurde bei einer üblichen Forschungsbefahrung in der Riesenberghöhle ein Belag auf dem Sintergut festgestellt, welcher weiß und krustenartig ist.
Weißer Belag in der Riesenberghöhle |
2005 wurde die Initiative ergriffen, dieses Phänomen auf Ursache und Auswirkungen auf den Sinterschmuck zu untersuchen. Verschiedene Ursachen wären als Erklärungshypothese denkbar:
- Eine Einwanderung von Kalk, der Jahre zuvor gegen die Auswirkungen des sauren Regens in die Wälder oberhalb der Riesenberghöhle verbracht worden ist.
- Eine mikrobiologische Ursache
- Oder letztlich die Kombination verschiedener Faktoren.
Bei anschließenden Befahrungen wurden Maßnahmen durchgeführt,
unterstützt von Mitgliedern der HGN und der Fachhochschule Hildesheim sowie
dem Amt für Denkmalpflege Hannover.
Die fotographisch dokumentierten Maßnahmen beinhalteten dabei vorerst
eine aufwendige Schadenskartierung.
Des Weiteren wurden sowohl kleine Proben für spätere Untersuchungen ins Labor
transportiert als auch direkt vor Ort Nährböden auf verschiedene Arten mit
den auffälligen Funden
beimpft, Messungen und Testflächen zur Langzeituntersuchung wurden angelegt.
Nährboden mit Kulturen aus der Riesenberghöhle |
Die Analysen beschränken sich auf die Prüfung von Arten des Befalls hinsichtlich biologisch oder chemischen Ursprungs, einfache Labortests und analytische Aspekte.
Allerdings ist es sehr schwierig bei Mikroorganismen vom Phänotyp auf die Art zu schließen, da es zwar nur ca. 10 - 20 verschiedene Formen aber Millionen von Arten gibt. Messung von Adenosin-triphosphat (ATP) gibt Auskunft über die Aktivität der Bakterien. Je höher der Wert einer definierten Testfläche (5x5cm) ist, desto höher ist auch ihre Aktivität der vorhandenen Mikoorganismen. Die ATP-Messungen wurden an sehr stark betroffenen Flächen vorgenommen.
Die entnommenen Steinproben wurden im Labor unter dem Mikroskop betrachtet. Unter der
Stereolupe sind trotz 50-facher Vergrößerung und Anfärbungen der Probe keine
Auffälligkeiten erkennbar. Ein vergleichbares Bild bietet sich unter dem Auflichtmikroskop
als auch unter
dem Fluoreszenzmikroskop mit einer Anregungswellenlänge von 360nm.
Wie erwartet konnten keine Algen bestätigt werden, die
auf Grund ihres Chlorophyllgehaltes rot fluoreszieren würden.
Mit Chalcofluoro-White (CFW) als weiteres fluoreszierendes Anfärbemittel werden
punktuell leuchtende Stellen erkennbar.
Auch mit einem weiteren Fluoreszenzmarker (BacLight®) sind Stäbchen wahrnehmbar,
die vorerst
eine Vermutung auf Actinomyceeten zulassen.
Ein weiterer Hinweis auf
Actinomyceeten kann der erdige Geruch der
Proben sein, den Actinomyceeten
durch das Ausscheiden von Geosmin
hervorrufen können.
Auf Grund der an den Auszügen gemessenen elektrischen Leitfähigkeiten wurden zwei Proben zur quantitativen Salzbestimmung ausgewählt. Die Analyse ergab, dass über 70% des Salzes aus Calciumsulfat bzw. Gips besteht. Erhöhte Nitratgehalte sind in den Belägen nicht enthalten.
Aus besiedelten Steinproben nahe dem Sesam-Schluf wurden an der Universität in Oldenburg rasterelektronenmikroskopische Aufnahmen angefertigt. Die Bilder bestätigen eine deutliche Besiedlung.
REM Aufnahmen: Besiedlung des Gesteins Foto: Universität Oldenburg |
Eine abschließende Beurteilung der Ergebnisse steht noch aus.
Durch das bisherige Engagement konnten einige Fragen bereits geklärt werden, jedoch
sind ebenso viele neue Fragen aufgeworfen worden. Eine entgültige Aussage über die Art, die Ursache
und die Folgen des weißen Belages für die Riesenberghöhle ist zu diesem Zeitpunkt
nicht zu treffen.
Weitere Untersuchungen stehen noch aus und haben sich auf Grund der komplexen Fragestellungen als wohl sehr
umfangreich erwiesen. Dem Gegenüber steht leider auch das Problem der Finanzierung eines solchen
Forschungsprojektes. Trotz des Einsatzes vieler interessierter Helfer sind natürlich Materialien
und Laborarbeiten nicht völlig gratis zu bekommen.
Wie komplex dieses Problem wirklich ist, kann das Beispiel der Höhlen von
Altamira
zeigen:
Diese Höhlen in Spanien, die vor 15000 Jahren mit Höhlenmalereien ausgeschmückt worden sind,
und die
in den 70er Jahren täglich von 3000 Besuchern durchquert wurden, reagieren besonders empfindlich auf die
"Verschmutzung" durch den Menschen und waren quasi bakteriell verseucht.
Eine Analyse von Farbproben, die
Mikrobiologen am Wiener AKH durchgeführt haben ergab, dass die Bakterien schuld am
Ausbleichen der Malerei
sein könnten. Mit Hilfe molekularbiologischer Methoden wurden verschiedene
Mikroorganismen identifiziert.
Dazu wurde die in den Proben enthaltene Erbsubstanz (DNA) der Organismen extrahiert und mit einer Datenbank
verglichen. Es wurden rund 30 unterschiedliche Mikroorganismen gefunden, die jedoch
größtenteils weitgehend
unbekannte Wesen sind und über deren Lebensweise oder ihre Stoffwechselprodukte nichts bekannt ist.
Cesareo Saiz-Jimenez, ein Forscher aus Sevilla, wies nach, dass es sich um
natürliche Höhlenbewohner handelte,
denn man fand sie selbst in Grotten, die erst kürzlich entdeckt und wenig besucht wurden,
in großer Zahl vor.
Sie nutzen die im Sickerwasser vorhanden organische Masse - das für ihre Entwicklung
notwendige Minimum.
Werden die Höhlen jedoch geöffnet, belüftet, beleuchtet und besucht,
gerät das selbstregulierte Gleichgewicht
aus den Fugen. Die Mauern bedecken sich mit grünen, gelben oder weißen Bakterienkolonien,
die zum Teil die Farbpigmente angreifen.
Soll man also die Höhlen schließen und die Bedingungen eines sehr armen
Ökosystems wiederherstellen oder mit
einer gezielten Intervention die Bakterien zerstören? Die vorhandenen Bakterien
produzieren beispielsweise
Antibiotika, die die Konkurrenz daran hindern, sich einzunisten.
"Wenn Sie diese Bakterien vernichten",
so rät Cesareo Saiz-Jimenez, "ist es möglich, dass andere Mikroorganismen an ihre
Stelle treten, wie in Lascaux, wo nach der Behandlung Schimmel auftrat. Für mich gibt es nur eine
sichere Methode, die Schließung."
Erweiterter Bericht
Zu den Bakterien in der Riesenberghöhle.
Mit Gabriela Aldrete Hernández (Mexiko)
Unsere Abschlussuntersuchungen beschränkten sich auf die Prüfung der beiden Testreihen, welche von Dipl.-Ing. Chem. Anna Thomé und mir vor zwei Jahren angebrachten sechs verschiedenen Biozide hinsichtlich derer Veränderungen, einfache ATP - Messungen und analytische Aspekte.
Biozidversuche - Rückschau.
Bei der dritten Höhlenbefahrung mit Anna Thomè am 17. 09. 2005 wurden an zwei sehr stark besiedelten Bereichen in der Nähe des Haifischrachens und des Sesam-Schlufes jeweils sechs Testflächen angelegt.
Jede dieser Testfläche mit den Abmaßen 5 x 5 cm wurde mit einem Biozid bestäubt. Es soll nach ca. 9 Monaten die Bakterienbesiedlung dieser Bereiche erneut untersucht werden, um eine genauere Aussage bezüglich der Bakterienart treffen zu können. Folgende niedrigdosierte Biozidlösungen wurden damals verwendet:
Testreihen. 2005
- 1. 2 % Benzolkonium-chlorid 70 % Isopropanol
- 2. 2 % Clotrimazol 70 % Isopropanol
- 3. 2 % Preventol A 8 70 % Isopropanol
- 4. 2 % Ketoconazol 70 % Isopropanol
- 5. Preventol R. 80
- 6. Preventol CMK
Bakteriotoxine sind von Bakterien erzeugte Gifte, die unterteilt werden in Ektotoxine (Exotoxine), die synthetisiert nach außen abgegeben werden, und Endotoxine, die innerhalb der Zellwand v.a. gramnegativer Bakterien vorkommen und erst nach Zerfall der Bakterienzelle frei werden. Ektotoxine sind Eiweiße, die Enzymaktivität aufweisen können. Einige sind schon in geringen Konzentrationen extrem toxisch und können tödlich wirken (z.B. Diphtherie-, Tetanus- und Botulinustoxin).
Biozidtestflächen 2005 Foto: Dipl. Ing.- Chem. Anna Thomé / Schweiz |
Die aus Kohlenhydrat, Lipid und Protein bestehenden Endotoxine haben vielfach wirtsunspezifische Wirkungen auf den Organismus: u.a. Fieber, Durchfall, Verstärkung der unspezifischen Infektabwehr. Der bei hohen Dosen eintretende Endotoxinschock (Kreislaufstörungen, Nierenversagen) kann tödlich verlaufen. Die Wirkung der Gruppe der Actinomyceten und verwandte Organismen lösen beispielsweise Diphtherie und Tuberkulose aus.
Neue Messungen mit Gabriela A. Hernández Foto: Wolfgang Kunzmann |
Zustand - 2008
Biozidfläche 2008 Foto: Gabriela A. Hernàndez |
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